Unterschiede


Inzwischen gibt es zahlreiche Musiktherapieausbildungen. Die Qualität lässt großenteils zu wünschen übrig. Keiner der Musiktherapie-Professoren ist habilitiert.
"Durchschnittlich 4,8 Jahre dauert eine Habilitation" (FAZ Nr., 174, 30.7.2009, S. 6). Der Habilitation eines Musikhochschulabsolventen gehen wenigstens ein Universitätsabschluss und wenigstens eine Promotion voraus. Krasser kann der Unterschied gegenüber einem habilitierten Universitätsprofessor kaum sein.

Zudem verfolgt dieses Weiterbildungsstudium einen völlig anderen Ansatz, Musiktherapie zu lehren. Insbesondere wird auch Wert darauf gelegt, dass eine gründliche Instruktion für die Praxis mit einer Reflexion ihrer wissenschaftlichen Grundlagen einhergeht. Im Unterschied zu den zahlreichen M.A.-Studiengängen zielt dieses Weiterbildungsstudium sowohl auf die Ausbildung von Musiktherapeuten ohne Hochschulabschluss, da es für leider weniger gut bezahlte Berufsfelder nicht unbedingt Akademiker als vielmehr gute Praktiker braucht, als auch auf die  Begleitung der Promotion als höchstmöglichen Abschluss. Schließlich wird es angesichts der Tatsache, dass laut WN vom 1.7.09 die Abiturdurchschnittsnote mit einer 1 vor dem Komma mitunter bei über 40 % liegt, künftig von Absolventen mit dem M.A.-Titel wimmeln, während trotz erheblicher Zunahme von Promovierten Personen mit einem echten Doktor-Titel vorerst weiterhin die Elite bilden und damit nicht nur das höchste Ansehen, sondern auch das höchste Gehalt erwarten können. Laut "Forschung & Lehre", den Mitteilungen des Deutschen Hochschulverbands vom 2.7.2009, hat sich die Anzahl der Doktorgrade gegenüber vor 30 Jahren verdoppelt. Inzwischen sind 20 Prozent der Hochschulabsolventen und damit 2,4 Prozent der Deutschen gegenüber 1,3 der Bevölkerung in den USA promoviert. Dem Ansehen der Musiktherapie und ihren Vertretern ist also mit der Promotion an einer renommierten Universität am meisten gedient. Musiktherapie wird somit nicht wie üblich, sondern als Angewandte Musikpsychologie im beiderseitigen Wortsinn gelehrt (s. Musik in der Heilkunde).

Insbesondere seit dem Gerichtsbeschluss vom 16.4.2010 zur Rechtswidrigkeit der Akkreditierung werden nicht mehr nur Berufstätige mit Hochschulabschluss zum Weiterbildungsstudium zugelassen. Vielmehr wird das neueste Vorhaben der EU und damit auch Deutschlands sehr begrüßt, den aus den Fehlern der Bologna-Reform von 1999 entwickelten Qualifikationsrahmen umzusetzen. "Als Raster erfassen die Qualifikationsrahmen auf europäischer und nationaler Ebene Lernergebnisse: Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen. Unwichtig ist dagegen, wie, wo und über welchen Zeitraum diese erworben wurden. Titel oder Bildungswege spielen keine Rolle. Meister, Master oder Manager können sich am Ende auf einer Stufe wiederfinden. (...) 2010 soll das System flächendeckend starten. Ab 2012 soll auf allen neuen Zeugnissen vom Schulabschluss bis zur Doktor-Urkunde vermerkt werden, welcher von acht Qualifikationsstufen sie zuzuordnen sind" (Deutsche Universitätszeitung 21.8.2009, S. 11). Absolventen, die sich ihre guten Noten und Zeugnisse mit sehr viel Geld (I, II) oder Sex (I) beschafft haben und heute in hohen Positionen der Justiz und in Hochschulen usw. sitzen, werden dann keine Chance mehr haben. Auf diese Weise werden - so ist mit großer Einschränkung zu hoffen (so oft schon ist eine gute Idee in der Praxis gescheitert) - auch der Rufmörder und die Titel-Träger und Nutznießer des Hamburger Behördenskandals entlarvt. Näheres unter www.deutscherqualifikationsrahmen.de.

Aufgrund konkreter Analyse und Förderung der Bewegungsfaktoren, die die Lebensäußerungen bestimmen und sich daher auch zu unterschiedlichen Zwecken einsetzen lassen, sich aber im auditiven, kinästhetischen und visuellen Tun unterschiedlich bemerkbar machen, unterscheidet sich musikpsychologisch und bewegungsanalytisch fundierte Musiktherapie von hauptsächlich spekulativ deutenden psychoanalytisch orientierten musiktherapeutischen Ansätzen. Sie ist wegen ihrer empirisch erfahrbaren Lebensnähe für ein breites Spektrum von Erkrankungen und Störungen, insbesondere bei vorwiegend psychotherapeutisch behandelbarer Symptomatik wie Neurosen, affektiven und Persönlichkeitsstörungen, Abhängigkeiten, Geistigbehinderte und Kinder- und Jugendlichen- bis zur Gerontopsychiatrie anwendbar, eignet sich jedoch ebenso vorteilhaft in der Rehabilitation und in schulischen, heil-, sonder- und sozialpädagogischen Bereichen.

Als Angewandte Musikpsychologie, die den kunstimmanenten Eigenwert ebenso berücksichtigt wie seine Wirkung und deren Verwertbarkeit, verlangt sie - im Unterschied zu vorwiegend deutenden Richtungen, deren Studiengangsleiter oftmals keineswegs eingehendere Kenntnisse des verwendeten Mediums Musik haben und solche Kenntnisse sich nach Aussagen von vielgelesenen Autoren zur Musiktherapie sogar eher hinderlich auswirken, da Musik bzw. Schall oder Klang z. B. ja nur als Mittel zur Anbahnung einer Beziehung und zur Auflockerung der klinischen Atmosphäre eingesetzt werden soll - den künstlerisch ausgebildeten Experten, der die Sprache seines nonverbalen Mediums beherrscht und sie versteht, sie allerdings aber auch adressatenorientiert und zweckdienlich einsetzen kann. Er muss demnach sowohl wissen, was das künstlerische Objekt an psychischem Geschehen und an Botschaft in sich schließt, als auch das mögliche Spektrum von Verständnissen und Missverständnissen im Umgang mit Musik einschätzen und damit zum Nutzen des Adressaten einsetzen können. Hierin beruht die Notwendigkeit einer auf Verhaltensbeobachtung basierenden musikpsychologisch orientierten therapeutischen Zusatzausbildung.

Als adressatenbezogene Lehre in der ursprünglichen Bedeutung von Therapie versteht sie sich als "sorgfältig weiterbildende" Selbsterfahrung, die Phänomene wie Übertragung und Gegenübertragung miteinschließt, ohne die bestehenden Unterschiede an Kenntnissen und Fertigkeiten zu ignorieren. Die spezifisch therapeutische bzw. künstlerische Vorbildung kann angerechnet und ihr Fehlen in Zusatzkursen und am Wohnort erworben werden. Die heterogene Zusammensetzung fördert die unverstellte Mannigfaltigkeit an Sichtweisen, die für eine problemzentrierte und handlungsaktivierende Therapie notwendig sind. Mehrschichtiges Lernen ermöglicht ein Bewusstsein eigener situativer und emotionaler persönlicher Reaktionsweisen, wie es für eine therapeutische Beziehung maßgeblich ist, und ein unabdingbares Staunen, das ästhetische Wahrnehmung ausmacht und ein geeignetes therapeutisches Vorgehen planen lässt. 

Das praxisrelevante Lehrangebot basiert auf einer wissenschaftlich untermauerten Didaktik körperlich erfahrbaren handlungsrelevanten Wissens von interindividuellen Erfahrungsgesetzmäßigkeiten, an denen der Teilnehmer seine persönliche Sichtweise erkennt, vergleicht und gegebenenfalls relativiert. Das eigene praktische Tun steht im Vordergrund einer Lehre, die unabhängig von Ort, Zeit und Gruppenzusammensetzung und -geschichte sich auf wissenschaftlich gewonnene empirische Fakten stützt. In jederzeit und unter verschiedenen Bedingungen wiederholbaren Experimenten lässt sie ein Stück Wirklichkeit ästhetisch und positiv erfahren und verbindet so Selbsterfahrung mit systematischem, Erfahrungen des einzelnen einbeziehendem Lernen von Modellen der Diagnostik und therapeutischen Interventionen. Der Kenntniserwerb erhält sein Korrelat im Praxislabor und im Praktikum an therapeutischen Einrichtungen mit Supervision. 

Das Konzept ist nicht auf tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie begrenzt. Von Lehranalysen wird eher abgeraten. Von Universitäten dürfen sie bezeichnenderweise nicht einmal im Medizin- und Psychologiestudium verlangt werden. Die auch in der Ausbildung von Psychiatern höchst umstrittene Lehranalyse stammt aus der Zeit der frühen Psychoanalyse und dient hauptsächlich den Lehranalytikern (Lehranalytiker kann sich jeder nennen, der Titel ist nicht geschützt, und auch irgendwelche Verbände können ihn nicht für sich pachten). Selbst das Psychotherapeutengesetz kennt die Lehranalyse nicht. Während sie sich bei Ärzten und Psychologen jedoch mit der Zeit bezahlt macht, da die Krankenkassen die Therapien finanzieren, gehen Musiktherapeuten leer aus (Näheres hierzu in www.hogrefe.de/mtk, Heft 1, 2004, S. 24 - 48). Für Studierende künstlerischer Musiktherapie ist Lehranalyse wegen der Spezifik musiktherapeutischer Effizienz ungeeignet; wie kaum eine andere Therapierichtung ermöglichen Musiktherapie (und auch Tanztherapie) die der Einzeltherapie mit ihrem Abhängigkeitsverhältnis weitaus überlegene Qualität einer Gruppentherapie, in der im Gegensatz zu verbalen Therapien nicht gewartet werden muss, bis ein anderer ausgeredet hat, sondern gleichzeitig miteinander kommuniziert wird und das Beziehungsverhalten sehr viel realistischer als in der Einzeltherapie bzw. Lehranalyse diagnostiziert und trainiert werden kann. Wer aber Therapie braucht, was nur approbierte Therapeuten feststellen dürfen, kann sie sich von der Krankenkasse bezahlen lassen. Entsprechende Therapeuten werden auf Wunsch vermittelt.

Ergänzender musiktherapeutischer Einzel- und Kleingruppenunterricht kann vermittelt werden. Er richtet sich in erster Linie an Interessenten, die nur die technische Bewältigung ihres Musikinstruments erlernt haben, aber die damit notwendigerweise verbundene tiefe Selbst- und mit dem Gruppenmusizieren einhergehende Fremderfahrung, wie sie sich vom ersten Spiel eines Tones über Jahre bis zur Beherrschung des Instruments gebildet haben sollte, nicht systematisch kennengelernt haben. Die Erfordernis eines kompensatorischen Unterrichts als musikpsychologisch fundierte musikalische Selbsterfahrung wird in der Aufnahmeprüfung festgestellt.

Diese wissenschaftliche Weiterbildung geht von der veränderten klinischen, pädagogischen und sozialtherapeutischen Wirklichkeit aus. Der künstlerische Therapeut mit Spezialisierung in Musiktherapie betont die kreative Selbsterfahrung durch Musizieren, Singen und geleitetes Musikhören unter Aspekten übergreifender Theorie und Praxis und berücksichtigt über sein spezielles künstlerisches Medium und Tun hinaus stets auch die Eigenheiten und besonderen Qualitäten der übrigen Sinne.

Es werden nur Personen aufgenommen, die besonderen Wert auf Qualität legen und sich um eine gediegene wissenschaftlich fundierte künstlerische Musiktherapie bemühen wollen. Dieses Weiterbildungsstudium Musiktherapie hat sich aus diesem Grund nie in den vom Verein "Deutsche Gesellschaft für Musiktherapie e.V." herausgegebenen Studienführer aufnehmen lassen. Dieser trennt nicht zwischen wissenschaftlichen und sonstigen Angeboten.

Ob der gravierende Ansehensverlust der Musiktherapie und die Abschaffung von Musiktherapiestudiengängen an den Universitäten mit der Ideologie und den Machenschaften dieser Gesellschaft, die Titelschwindel unterstützt und selbst vor der Entwürdigung eines besonders erfolgreichen Musiktherapeuten in Österreich, er betreibe "psychische Euthanasie", nicht zurückschreckt, zusammenhängt, ist schwer zu sagen. Sicherlich ist es für die Musiktherapie nicht förderlich, wenn sich ein Berufsverband von Musiktherapeuten, auch wenn er noch so unbedeutend ist, demonstrativ einen Vorsitzenden wählt, der sich Musiktherapeut und Dozent nennt, aber keinerlei Hochschulstudium absolviert hat. Eine solche Interessensgruppe ist schwerlich in der Lage, Musiktherapie als wissenschaftliche Disziplin zu repräsentieren. Eher ist zu befürchten, dass eine Flachheit, die selbst ein Mindestmaß an akademischem Niveau unterläuft, dem Berufsstand der künstlerischen Therapien insgesamt schadet und sich nicht zuletzt in einer schlechteren Bezahlung der Musik-, Tanz- und Kunsttherapeuten niederschlägt.

Nach offensichtlich noch zu frühen Bestrebungen um 1970 und nach der von Hamburg ausgegangenen Verhinderung universitärer Etablierung von Musiktherapie um 1988 aufgrund von Ängsten privatwirtschaftlicher Anbieter um ihren Profit war dieses Weiterbildungsstudium Musiktherapie schließlich 1990 Jahren aus der Notwendigkeit heraus etabliert worden, dem fehlenden festen Berufsbild eine betont wissenschaftliche wie künstlerische Alternative für Berufstätige und Absolventen von Hochschulstudiengängen entgegenzusetzen. Als gezieltes Gegenstück zu hauptsächlich psychoanalytisch deutenden Ansätzen basiert es auf musikpsychologischen Gesetzmäßigkeiten, die im Sinne von Effektivität und Effizienz in einer möglichst ressourcenorientierten und kurzfristig wirksamen Musiktherapie im Hinblick auf individuelle Therapieziele konsequent angewandt werden können. Das Studium ist somit ein Training in den drei Stufen einer professionellen Therapie: Mit Diagnostik verbundene Remoralisierung, mit Erlebnisvertiefung einhergehende Remediation und auf Handlungsaktivierung ausgerichtete Rehabilitation.  

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